EA SPORTS FC 24

EA SPORTS FC 24 im großen Test - Simulation oder Arcade?

kicker eSport testet EA SPORTS FC 24

"Can you love me again?": FC 24 im großen Gesamttest

Können die Fans guten Gewissens ihr Herz an FC 24 verlieren?

Können die Fans guten Gewissens ihr Herz an FC 24 verlieren? kicker eSport/EA SPORTS

"Can you love me again?", fragt John Newman in seinem gleichnamigen Song. Und gewissermaßen auch EA SPORTS seine Fans. Mit dem Musikstück untermalte der Publisher den ersten großen Trailer zum neuen FC 24. Eine Steilvorlage für alle Tester. Denn zu den vergangenen Fußball-Simulationen aus Vancouver pflegten viele Spieler doch eher eine Hassliebe.

Nach der Trennung von der FIFA soll mit frischer Eigenmarke alles besser werden. Doch handelt es sich wirklich um einen Neuanfang? Nimmt sich der Entwickler den Fehlern der Vergangenheit an? Oder anders: "Can you love it again?"

Kurz und schmerzlos: FC 24 spielt sich, nun ja, wie ein neuer FIFA-Teil. Weder das Gameplay noch die einzelnen Modi wurden revolutioniert. In einem Paralleluniversum veröffentlicht EA SPORTS dasselbe Produkt gerade als FIFA 24 - und niemand wundert sich. Was nicht bedeutet, dass es keine Veränderungen gegenüber dem inoffiziellen Vorgänger gibt. Doch sind die wirklich den Kaufpreis von 80 Euro wert?

Gameplay: Langsamer, manueller - besser?

Ein großes Buzzword wurde von EA SPORTS in der Promo-Phase zu FC 24 öffentlichkeitswirksam inszeniert: Hypermotion V. Kein lästiges Motion Capturing mehr, die realen Bewegungsabläufe können nun aus Live-Partien in die Virtualität übertragen werden. Das sieht für Haaland, Mbappé & Co. fantastisch aus - stellt aber auch die Zweiklassengesellschaft noch deutlicher heraus. Spielfiguren, deren Originale nicht mit Hypermotion V getrackt wurden, fallen merklich ab.

Schnecken-Sprint in Zeitlupe: Das langsamste Team für FC 24

Generell wird das Gameplay in FC 24 manueller, was gerade für erfahrene Spieler eine willkommene Herausforderung darstellen kann. Verteidigung und Passspiel sind schwieriger als noch in FIFA 23 - die Skill-Gap wird vergrößert. Vorbei sein sollen die Zeiten, in denen sich defensiv einfach mit fünf Mann verschanzt wird und der Gegner schon keine Mittel mehr findet.

Dagegen spräche jedoch, dass EA SPORTS für die neue eSport-Saison in FC Pro laut Spielerkreisen wohl alle Formationen mit Dreier- oder Fünferkette verbieten will. Es wäre ein Eingeständnis, müssten gängige reale Systeme virtuell verbannt werden, weil dem Entwickler die richtige Gameplay-Balance offenbar misslingt.

Grundsätzlich aber begrüßen wir den erhöhten Schwierigkeitsgrad in einigen Facetten des Spiels. Insofern die kommenden Patches nicht sofort wieder zur Kehrtwende führen.

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Außerdem ist FC 24 aktuell noch langsamer und schwerfälliger als FIFA 23, was durchaus an den Konkurrenten eFootball 2024 erinnert. Dadurch gleicht der digitale Fußball zwar mehr dem realen, das Gameplay wird aber auch schwammiger. Für Gelegenheitszocker oder Neueinsteiger bedeutet das wohl: Möglichst viele Hilfe-Einstellungen aktivieren. Was im krassen Kontrast zur manuellen Entwicklung steht. FC 24 scheint eher für Profis gemacht, Anfängern droht hinsichtlich des Gameplays Frust.

FUT: Fehler-Festival und Frauen-Debatte

Gerne wären wir mit etwas anderem ins neue Football Ultimate Team (FUT) eingestiegen. Aber die Anzahl an Bugs, Glitches und Disconnects lässt wenig Raum dafür. FUT ist kurz vor dem Full-Release noch voller Pannen. Der Account 'EASportsFCMistakes', der diese aufführt und zählt, berichtete schon am Montag auf X (vormals Twitter), "nicht hinterher" zu kommen. Drei Tage nach offiziellem Early-Access-Auftakt. An dieser Stelle hat der Publisher wortwörtlich nicht aus seinen FIFA-23-Fehlern gelernt.

Frauen und Männer - gemeinsam in FUT abgebildet. EA SPORTS

Den regelmäßigen Abstürzen und eingefrorenen Bildschirmen will EA SPORTS mit Title-Update 1 beigekommen sein - diverse weitere Probleme sind noch offen. Beispielsweise fehlerhafte Darstellungen einiger Items oder nicht gespeicherte Einstellungen. Der vielleicht kurioseste Fauxpas: Die Goldkarte von Ada Hegerberg im Kader zu haben, verhindert den Start eines Matches. Die norwegische Fußballerin hat deswegen sogar private Hassnachrichten erhalten.

Womit wir beim großen, intentionellen FUT-Thema sind: der Integration der Frauen. Kaum eine Innovation spaltet die Community in diesem Ausmaß. Die einen freuen sich über starke neue Objekte, die anderen halten sie im Vergleich zu den Männern für unrealistisch. Denn die Spielerinnen-Items sind konkurrenzfähig. Die Spanierin Alexia Putellas hat gar eine der stärksten Karten überhaupt erhalten.

EA SPORTS FC 24: Die besten Spielerinnen in Ultimate Team

Schon im Juli hatte EA SPORTS gegenüber kicker eSport erklärt, dass die Bewertungen in FC 24 auf Grundlage der realen Leistungen gegen die jeweilige Konkurrenz erstellt werden. Frauen werden im Vergleich zu Frauen bewertet, Männer im Vergleich zu Männern. Dadurch stellt der Entwickler sicher, dass die weiblichen FUT-Objekte auch spielbar sind. Alles andere hätte keinen Sinn ergeben.

Es ist ein Zeichen der Inklusion und der Repräsentation. Der Frauenfußball erhält auch virtuell erhöhte Sichtbarkeit, er wird ins Rampenlicht gerückt. Der Realismus leidet zwar. Aber von dem ist FUT ohnehin schon längst abgerückt. Heroes in Fußballer-Rente, verstorbene Ikonen, Torhüter im Angriff. Selbst EA SPORTS hatte beim Reveal-Event in Amsterdam durchblicken lassen, dass Ultimate Team intern eher als eine Art Fantasy-Modus gesehen werde.

Was in der Theorie auch Hand in Hand geht mit dem neuen Evolutions-Feature. Schwächere Spieler-Karten sollen zum Zweck der Identifikation mittels Ingame-Aufgaben verbessert werden. Aus einem Bronze-Objekt kann in einigen Schritten ein Item mit Overall-Rating über 80 werden. Eine fabelhafte Idee - allerdings versucht EA SPORTS wie gewohnt auch daraus Profit zu schlagen. Alex Hunter lässt grüßen.

Manche der Evolutions sind nur mit Münzen und/oder FC Points (Echtgeld) freizuschalten. Das betrifft unter den sechs anfänglichen Upgrade-Versionen etwa "Relentless Winger". Das ist die stärkste Verbesserung für Goldkarten. Es riecht nach Pay-to-Win - oder zumindest nach Pay-to-Progress. Verwundern sollte das niemanden. Schließlich machten Ingame-Käufe in den vergangenen Jahren konstant mehr als 70 Prozent der EA-Einnahmen aus.

FC 24 gegen eFootball 2024: Wo sehen die Bayern-Stars besser aus?

Karrieremodus: Die wahre Fußball-Simulation?

Während der Arcade-lastigere Modus Ultimate Team also willentlich Realismus einbüßt, soll der Karrieremodus dahingehend zulegen. Die Speerspitze der potenziell förderlichen Neuerungen: Taktische Visionen. Tiki-Taka, Gegenpressing oder Kick & Rush? Das kann von vorneherein festgelegt werden. Wobei das Gegenpressing in der FC-24-Interpretation eigentlich Forechecking heißen müsste. Taktik-Experten könnten da schon an Immersion verlieren.

Das Feature ist aber sowieso mehr als Voreinstellung für Einsteiger geeignet. Erfahrene FC- respektive FIFA-Spieler benötigen keine taktische Vision, um ihren Spielstil auf den virtuellen Rasen zu bringen. Auch Neulinge sollten den Vorgaben kein blindes Vertrauen schenken: Beim Forechecking alias Gegenpressing etwa können die Reihen manuell auch extrem tief gestellt werden. Was eine Diskrepanz zum grundlegenden Konzept dieser Vision erzeugt.

Klopp, Guardiola und Ancelotti: Die authentischen Trainer in FC 24

Ein Pluspunkt im Karrieremodus waren für uns die neuen Coaches. Der Trainerstab wird erweitert, ihr bekommt Assistenten an die Seite gestellt. Diese kümmern sich vorwiegend um die Entwicklung der Spieler - im Einklang mit der taktischen Vision. Sie sollen die entsprechenden Attribute verbessern. Es fehlen allerdings Möglichkeiten: Im Forechecking bleiben bei den Außenverteidigern beispielsweise Aggressivität und Ausdauer außen vor. Ebenfalls unschön: Einmal eingestellt, lassen sich Coaches derzeit mitunter nicht wieder feuern. Bei einem unserer Tester friert das Spiel stattdessen ein, ein Neustart ist unumgänglich.

Eine kleine Analyse des kommenden Gegners im Karrieremodus. kicker eSport/EA SPORTS

Eine längst überfällige Neuheit ist die Spielvorbereitung - auch wenn sie oberflächlich ausfällt. Ihr erhaltet Briefings zu euren kommenden Gegnern inklusive Stärke, Philosophie und einiger Schlüsselspieler. Wonach Letztere ausgewählt werden? Das weiß vermutlich nur EA SPORTS selbst. Wir haben kein sinniges Muster entdeckt, Hinweise gibt es auch keine. Dennoch ergibt sich immerhin ein rudimentäres Bild vom nächsten Kontrahenten.

Mit dessen Hilfe lassen sich letzte Übungsszenarien auswählen, bevor es auf den digitalen Platz geht. Über die wird nicht mehr die generelle Entwicklung der Profis beschleunigt, sondern ein temporärer PlayStyle erarbeitet. Ihr erwartet laut Briefing einen defensiven Gegner, der sich hinten reinstellen wird und euch den Ball überlässt? Erspielt euch die PlayStyles Tiki-Taka oder Schnittstellenpass.

Zeugwarts Erben: Schwächste deutsche Karten in FC 24

Die wahre Fußball-Simulation schlummert im Karrieremodus: Keine Spezialkarten, die Spieler deutlich besser als in der Realität machen oder ihnen komplett neue Positionen verleihen. Keine Frauen und Männer in denselben Teams. Keine Ex-Profis, die längst den Ruhestand angetreten haben. Wo FUT fantasievoller wird, versucht sich der Karrieremodus an mehr Realismus.

Um die Fußball-Simulation vollends zu wecken, hätte EA SPORTS allerdings noch mehr in die Tiefe gehen müssen. Zumal auch hier kleinere und größere technische Versäumnisse und Fehler das Gesamtbild mindern.

Clubs: Crossplay könnte Community vereinigen

Realistischer wird es in FC 24 nicht mehr? Das ist wohl Ansichtssache. Der Clubs-Modus (ehemals Pro Clubs) bietet schließlich die Gelegenheit, wirklich mit Elf gegen Elf zu spielen. Neu ist das natürlich nicht. Dafür ist es die Crossplay-Funktion, die Besitzer derselben Konsolengeneration gegeneinander antreten lässt. PlayStation-5- und Xbox-Series-X|S-Spieler können sich beispielsweise miteinander sowie mit PC-Nutzern messen. Ein Gewinn für die Clubs-Community, die dadurch enger zusammenwachsen dürfte.

Außerdem könnt ihr in Clubs am neuen Ligen- und Play-off-System teilnehmen. Von Liga fünf in Liga eins und dann in die Play-offs soll die Reise idealerweise gehen. Fragt sich nur, wer sie antreten wird. Szene-Spieler organisieren sich in der Regel lieber in externen Ligen und spielen gegen bekannte Gegner. Wer allerdings nur mal eben ein paar Runden Clubs mit Freunden zocken möchte, könnte Gefallen an der Ingame-Wettbewerbsumgebung finden.

Dem Gegner davonlaufen: Die schnellsten Spieler in FC 24 Ultimate Team

Falls ihr euch wiederum ganz frisch an den Modus heranwagt, könntet ihr Anlaufschwierigkeiten haben. Das Spontanspiel ist weiterhin nicht gut gelöst, Matchmaking und Verbindung sind (noch) fragil. Zudem werden Neueinsteiger einmal mehr nicht an die Hand genommen. Wer nicht schon in einer etablierten Gruppe zockt, könnte es am Anfang schwer haben, Mitspieler und Gegner zu finden, mit denen ein spaßiges Erlebnis entsteht.

Volta: Keine Besserung, keine Liebe

Bei Volta können wir es extrem kurz machen: Positiv an Volta ist - wie im gesamten FC 24 - die Grafik. Negativ an Volta ist quasi alles andere. EA SPORTS hat nahezu keine Neuerungen in den FIFA-Street-Nachfolger implementiert, der diesen Titel nicht verdient. Etliche technische Fehler, eine lieblose KI und viele Clubs-Spieler, die nur ihren Pro leveln wollen, werten den Modus bislang ab.

In Volta glänzen einzig und allein die stylischen Ingame-Items im Shop, die natürlich erworben werden können. Entweder mit Coins - oder auch mit FC Points, sprich: wieder Echtgeld. Als ob es nicht genug wäre, dass diese Möglichkeit in Ultimate Team besteht. Und laut der EA-Quartalsberichte auch sehr häufig wahrgenommen wird.

Fazit

"Can you love it again?"

Könnt ihr es wieder lieben? Und vor allem: Ist diese Liebe auch 80 Euro wert?

Leidenschaftliche FUT-Schwitzer, die keine Weekend League und keine starke SBC auslassen, haben kaum die Wahl. Sie zwangsverheiraten sich mit FC - wie zuvor mit FIFA - quasi jedes Jahr aufs Neue selbst. Weil sie mit der Zeit gehen müssen, aber auch mangels Alternativen. Denn im Vergleich zu eFootball 2024 von Konami bietet EA SPORTS einfach mehr Optionen, die eigene Fußballverrücktheit virtuell auszuleben.

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Doch was ist mit den anderen? Mit den Gelegenheitsspielern, den Offline-Koryphäen, den Karriere-Enthusiasten?

Die können sich getrost noch etwas Zeit lassen, FIFA 23 noch ein bisschen zocken und auf rabattierte Angebote warten. Black Friday oder Weihnachten - die Chancen kommen. FC 24 ist in unseren Augen kein vollwertiges neues Spiel, das waren schon die FIFA-Teile so gut wie nie. EA SPORTS hat sich bemüht, sinnvolle Veränderungen einzuführen, dabei aber oft zu kurz oder zu kommerziell gedacht. Der Spagat zwischen realistischer Simulation und Arcade-Game gelingt nur teilweise, Bugs mindern den Spielspaß erheblich. Für 40 oder 50 Euro und nach einigen Nachbesserungen dürfte sich der erste Teil des "Neuanfangs" wohl deutlich leichter lieben lassen.

nas

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